Lausanne/Neu-Isenburg. In einer ITTF-Pressemitteilung von Dienstag hat sich der Weltverbandspräsident persönlich in die Diskussion um Zelluloid- und Plastikball eingeschaltet. Adham Sharara ist überzeugt: „Jede Änderung im Sport teilt die Anhänger in drei Gruppen: in die Optimisten, die glauben, eine Änderung ist das Beste, in die Pessimisten, die glauben, eine Änderung ist ein Desaster, und in die, denen es egal ist und die die Dinge nehmen, wie sie kommen. Meine Erfahrung sagt mir, dass sich die Zahl in jeder der drei Gruppen mit der Zeit ändert. Irgendwann nimmt schließlich die Mehrheit einfach, wie es kommt.“
Der Deutsche Tischtennis-Bund und seine Mitgliedsverbände werben in diesem Zusammenhang um mehr Verständnis für den Einsatz des neuen Plastikballs und räumen mit fünf Gerüchten auf, die es über Zelluloid- und Plastikbälle gibt.
Gerücht 1: Zelluloidbälle sind oder werden demnächst verboten.
Wahrheit: Beide Bälle sind seit Jahrzehnten offiziell zugelassen, somit erlaubt und bleiben es auch. Für viele wohl überraschend: Es hat keine Regeländerung gegeben. Hier das Zitat aus den unveränderten Internationalen Tischtennisregeln, Teil A, Punkt 3.3: „Der Ball besteht aus Zelluloid oder ähnlichem Plastikmaterial und ist mattweiß oder mattorange.“
Nachdem verschiedene Diskussionen geführt worden waren, verabschiedete das Board of Directors im Rahmen der Team-WM in Dortmund Ende März 2012 auf Vorschlag von ITTF-Präsidium und Athletenkommission letztlich, dass der so genannte „neue Poly-Ball“ bei ITTF-Veranstaltungen ab dem 1. Juli 2014 zum Einsatz kommen soll. Der Weltverband ITTF hat daraufhin die Tischtennis-Industrie aufgefordert, Plastikbälle zu produzieren und zur Zulassung für Wettkämpfe zu beantragen.
Die ITTF setzt für ihre internationalen Turniere in Zukunft auf Plastik. Mit Blick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Topspielerinnen und -spieler wird der DTTB im Erwachsenen- und Nachwuchsbereich die nationalen Turniere mit dem Plastikball bestreiten. Den oberen fünf Ligen hat der DTTB empfohlen, ebenfalls mit dem Plastikball zu spielen. „Wir gehen als DTTB davon aus, dass der Hauptteil des Spielbetriebs in Deutschland zumindest vorerst weiter mit den etablierten Zelluloidbällen bestritten wird, unter anderem weil zurzeit noch keine flächendeckende Versorgung mit den Plastikbällen möglich ist“, sagt DTTB-Generalsekretär Matthias Vatheuer. Die 20 DTTB-Landesverbände haben für ihre Spielklassen und -ebenen eigene Regelungen getroffen.
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Gerücht 2: Plastikbälle sind zwar erhältlich, aber sie haben noch keine offizielle ITTF-Zulassung, die für die Verwendung im Spielbetrieb notwendig ist.
Wahrheit: Die ITTF veröffentlicht auf ihrer Website regelmäßig aktuelle Materiallisten mit den zurzeit zugelassenen Bällen. Die dort zurzeit aufgeführten Bälle sind:
• Zelluloidbälle
• Plastikbälle mit Naht
• Plastikbälle ohne Naht
Zurzeit (8. August 2014) verfügen 68 Bälle, mattweiße und mattorange, über die ITTF-Zulassung: 46 Zelluloidbälle, 16 Plastikbälle mit Naht und 6 Plastikbälle ohne Naht. Ein neuer Ball kann jederzeit – auch mitten in einem Jahr oder während einer laufenden Saison – die Zulassung erhalten, wenn er die ITTF-Auflagen erfüllt.
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Gerücht 3: Die Einführung des Plastikballs erfolgte ohne echten Grund.
Wahrheit: Zelluloid ist ein leicht entflammbarer Stoff, dessen Produktion Gefahren birgt und Probleme bereitet. In vielen Ländern wird auf die Zelluloidproduktion aus Gründen der Sicherheit sogar verzichtet. Zelluloid gilt als Gefahrgut, der Transport ist sehr aufwendig. Plastikbälle sind sicherer herzustellen und leichter zu transportieren.
ITTF-Präsident Adham Sharara stellt in der Pressemitteilung von Dienstag klar: „Die Einführung des Plastikballs ist eine Notwendigkeit. Fakt ist, dass die Produktion von Zelluloidplatten sinkt, aus denen die traditionellen Zelluloidbälle hergestellt werden, und sie irgendwann gar nicht mehr verfügbar sein werden.“ Ab diesem Zeitpunkt könnten keine Zelluloidbälle mehr produziert werden. Bis dahin überlässt es die ITTF dem Markt, welche Bälle produziert bzw. gekauft werden.
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Gerücht 4: Die Spieleigenschaften ändern sich eklatant.
Wahrheit: Es ist nicht ausgeschlossen, dass es bei der Implementierung eines völlig neuen Produkts zu leicht veränderten Spieleigenschaften kommen kann. Faustregel: Die Unterschiede in den technischen Parametern zwischen Plastik- und Zelluloidbällen können genauso groß oder klein sein wie zwischen Zelluloidbällen untereinander. Am Material der Plastikbälle wird zudem weiter geforscht und gearbeitet. War bei den Prototypen vor einigen Monaten z.B. das Geräusch beim Ticken noch ganz anders als bei Zelluloidbällen, so ist es bei den jetzt im Handel befindlichen Bällen schon fast gleich. „Ich bin sicher, dass sich am Jahresende niemand mehr die Köpfe heißreden wird“, sagt DTTB-Präsident Thomas Weikert, der ab September zusätzlich den Posten des Weltverbandspräsidenten übernimmt.
Die deutsche Herren-Nationalmannschaft hat den Plastikball bei ihren Vorbereitungslehrgängen in Hinterzarten und Düsseldorf ausgiebig getestet. „Natürlich ist ein Unterschied da. Der Ball fliegt einen Tick langsamer, und es ist etwas weniger Spin im Spiel. Für die Spitzenspieler ist das aber kein großes Problem“, urteilte Bundestrainer und Ex-Doppel-Weltmeister Jörg Roßkopf. „Der normale Zuschauer bemerkt keinen Unterschied, und die Weltrangliste wird auch nicht total auf den Kopf gestellt.“ (Aus Deutsche Presse-Agentur (dpa), Meldung vom 31. Juli, z.B. via sueddeutsche.de)
Und auf der DTTB-Website sagte Roßkopf: „Wie bei allen bisherigen Veränderungen in unserem Sport wird es wieder so sein: Am Ende gewinnt der Bessere.“
„Ich habe die Vorbereitung mit dem Plastikball begonnen. Die Umstellung wird ein bisschen Zeit brauchen“, erklärte Athletensprecher und Ex-Europameister Vladimir Samsonov. Seit 2011 haben Topspieler wie der Weißrusse immer mal wieder so genannte „40+“, „cell-free“, oder Polybälle zum Testen bekommen. „Das Material ist härter. (…) Ich glaube, dass die Bälle insgesamt gleichmäßiger abspringen. Das ist sehr positiv, aber wir benötigen Zeit, um uns dem anzupassen. Ich freue mich sehr auf die Belarus Open, wo wir erstmals auf der World Tour mit dem neuen Ball spielen werden.“
Der Großteil der von Journalisten in Selbstversuchen zufällig ausgewählten Aktiven aus Spielklassen zwischen Kreis- und Landesliga hat bei heimlich ins Training eingeschleusten Plastikbällen keinen Unterschied zum Zelluloidmaterial festgestellt. (Magazin „tischtennis“, März 2014, S. 39 / taz, 30. Juli „New balls please“, entspricht Badisches Tagblatt, 31. Juli, „Explosive Ballwechsel ohne Nitroglyzerin“).
Bei allen Diskussionen um den Plastikball sollte nicht vergessen werden: Die Spieleigenschaften sind im Tischtennis ohnehin nie gleich, weil die wichtigen Komponenten (Bälle, Halle, Tische, Boden, Licht etc.) praktisch ständig wechseln. Zudem spielen alle Beteiligten in einem Match immer unter denselben Bedingungen.
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Gerücht 5: Plastikbälle werden nur in China produziert.
Wahrheit: Es gibt derzeit Hersteller in China und Japan für den Plastikball. Ein weiterer aus Deutschland wird demnächst hinzukommen. Die Zulassung ist bereits beantragt. Die Produktion der Plastikbälle öffnet den Markt also auch für andere Länder. Zelluloidbälle dagegen werden nur in China und Japan hergestellt.
Deutscher Tischtennis Bund